Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer) vom 11. November 2021
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 – Information der Verbraucher über Lebensmittel – Art. 9 Abs. 1 Nr. 1 – Nährwertdeklaration – Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 – Berechnung des Brennwerts und der Nährstoffmengen – Möglichkeit der Angabe dieser Informationen für das zubereitete Lebensmittel – Voraussetzungen – Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 – Angabe je Portion oder je Verzehreinheit“
In der Rechtssache C‑388/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 14. August 2020, in dem Verfahren
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
gegen
Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer J. Passer (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter F. Biltgen und N. Wahl,
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., vertreten durch Rechtsanwalt P. Wassermann,
– der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, vertreten durch Rechtsanwältin C. Konnertz-Häußler,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hödlmayr und B. Rous Demiri als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. September 2021
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 sowie von Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. 2011, L 304, S. 18).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Deutschland) (im Folgenden: BVV) und der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG (im Folgenden: Dr. Oetker) wegen einer Klage, die darauf gerichtet ist, Dr. Oetker dazu zu verpflichten, die Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite einer Müslipackung mit den Anforderungen der Verordnung Nr. 1169/2011 in Einklang zu bringen.
Rechtlicher Rahmen
3 In den Erwägungsgründen 35, 37 und 41 der Verordnung Nr. 1169/2011 heißt es:
„(35) Aus Gründen der Vergleichbarkeit von Produkten in unterschiedlichen Packungsgrößen ist es sinnvoll, weiterhin vorzuschreiben, dass sich die verpflichtende Nährwertdeklaration auf Mengen von 100 g oder 100 ml beziehen sollte, und gegebenenfalls zusätzliche Angaben auf Portionsbasis zuzulassen. Ist das Lebensmittel in Form von Einzelportionen oder Verzehreinheiten vorverpackt, sollte zusätzlich zur Angabe je 100 g oder je 100 ml eine Nährwertdeklaration je Portion oder je Verzehreinheit zulässig sein. Damit vergleichbare Angaben zu den Portionen oder den Verzehreinheiten bereitgestellt werden, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, Vorschriften über die Nährwertdeklaration je Portion oder je Verzehreinheit bei bestimmten Klassen von Lebensmitteln zu erlassen.
…
(37) Da das Ziel dieser Verordnung darin besteht, dem Endverbraucher eine Grundlage für eine fundierte Wahl zu schaffen, ist es wichtig, in diesem Zusammenhang dafür zu sorgen, dass die auf der Kennzeichnung angegebenen Informationen für den Endverbraucher leicht verständlich sind. …
…
(41) Damit die Informationen zum Nährwert den Durchschnittsverbraucher ansprechen und den Informationszweck erfüllen, für den sie eingeführt werden, sollten sie – in Anbetracht des derzeitigen Kenntnisstands über das Thema Ernährung – einfach und leicht verständlich sein. Es kann den Verbraucher verwirren, wenn ein Teil der Informationen zum Nährwert im allgemein als Packungsvorderseite bekannten Hauptsichtfeld und ein Teil auf einer anderen Packungsseite, wie z. B. der Packungsrückseite, steht. Deshalb sollten alle Bestandteile der Nährwertdeklaration im selben Sichtfeld stehen. Ferner können auf freiwilliger Basis die wichtigsten Bestandteile der Nährwertdeklaration ein weiteres Mal im Hauptsichtfeld erscheinen, damit die Verbraucher die wesentlichen Informationen zum Nährwert beim Kauf von Lebensmitteln leicht sehen können. Es könnte den Verbraucher verwirren, wenn frei gewählt werden kann, welche Informationen ein weiteres Mal erscheinen. Deshalb ist es notwendig zu präzisieren, welche Informationen ein weiteres Mal erscheinen dürfen.“
4 Art. 9 („Verzeichnis der verpflichtenden Angaben“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:
„Nach Maßgabe der Artikel 10 bis 35 und vorbehaltlich der in diesem Kapitel vorgesehenen Ausnahmen sind folgende Angaben verpflichtend:
…
l) eine Nährwertdeklaration.“
5 Art. 30 („Inhalt“) der Verordnung bestimmt:
„(1) Die verpflichtende Nährwertdeklaration enthält folgende Angaben:
a) Brennwert und
b) die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz.
…
(3) Enthält die Kennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels die verpflichtende Nährwertdeklaration gemäß Absatz 1, so können die folgenden Angaben darauf wiederholt werden:
a) der Brennwert oder
b) der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz.
(4) Abweichend von Artikel 36 Absatz 1 darf sich für den Fall, dass die Kennzeichnung der Erzeugnisse gemäß Artikel 16 Absatz 4 eine Nährwertdeklaration enthält, der Inhalt der Deklaration lediglich auf den Brennwert beschränken.
(5) Unbeschadet des Artikels 44 und abweichend von Artikel 36 Absatz 1 darf sich für den Fall, dass die Kennzeichnung der in Artikel 44 Absatz 1 genannten Erzeugnisse eine Nährwertdeklaration enthält, der Inhalt der Deklaration lediglich auf
a) den Brennwert oder
b) den Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz beschränken.
…“
6 Art. 31 („Berechnung“) Abs. 3 der Verordnung sieht vor:
„Der Brennwert und die Nährstoffmengen gemäß Artikel 30 Absätze 1 bis 5 sind diejenigen des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs.
Gegebenenfalls können sich diese Informationen auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen.“
7 Art. 32 („Angabe je 100 g oder je 100 ml“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt:
„Der Brennwert und die Nährstoffmengen gemäß Artikel 30 Absätze 1 bis 5 sind je 100 g oder je 100 ml anzugeben.“
8 Art. 33 („Angabe je Portion oder je Verzehreinheit“) der Verordnung sieht in den Abs. 1 und 2 vor:
„(1) In den folgenden Fällen können der Brennwert und die Mengen an Nährstoffen gemäß Artikel 30 Absätze 1 bis 5 je Portion und/oder je Verzehreinheit in für Verbraucher leicht erkennbarer Weise ausgedrückt werden, sofern die zugrunde gelegte Portion bzw. Verzehreinheit auf dem Etikett quantifiziert wird und die Anzahl der in der Packung enthaltenen Portionen bzw. Verzehreinheiten angegeben ist:
a) zusätzlich zu der Form der Angabe je 100 g oder je 100 ml gemäß Artikel 32 Absatz 2;
b) zusätzlich zu der Form der Angabe je 100 g oder je 100 ml gemäß Artikel 32 Absatz 3 betreffend den Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen;
c) zusätzlich zu oder anstelle der Form der Angabe je 100 g oder je 100 ml gemäß Artikel 32 Absatz 4.
(2) Abweichend von Artikel 32 Absatz 2 dürfen in den Fällen gemäß Artikel 30 Absatz 3 Buchstabe b die Nährstoffmengen und/oder der Prozentsatz der in Anhang XIII Teil B festgelegten Referenzmengen auch nur je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden.
Sind die Nährstoffmengen gemäß Unterabsatz 1 lediglich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt, wird der Brennwert je 100 g oder je 100 ml und je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
9 Dr. Oetker ist ein deutsches Lebensmittelunternehmen, das Müsli unter der Bezeichnung „Dr. Oetker Vitalis Knuspermüsli Schoko+Keks“ herstellt und vertreibt. Die Verpackung dieses Produkts besteht aus einem quaderförmigen Karton.
10 Diese Verpackung enthält folgende Nährwertangaben:
– Auf der Schmalseite der Verpackung (der schmaleren Seite des Kartons) sind unter der Überschrift „Nährwertinformation“ Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz angebracht, und zwar bezogen zum einen auf 100 g des Produkts zum Zeitpunkt seines Verkaufs und zum anderen auf eine Portion von 40 g des mit 60 ml Milch mit einem Fettgehalt von 1,5 % zubereiteten Müsli.
– Auf der Schauseite der Verpackung (Hauptsichtfeld des Kartons) werden die Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz wiederholt, wobei sich diese Angaben ausschließlich auf die Portion des zubereiteten Lebensmittels beziehen.
11 Der BVV forderte Dr. Oetker im Wege der Abmahnung auf, die Werbung für das in den Rn. 9 und 10 des vorliegenden Urteils genannte Produkt mit den Bestimmungen für die Nährwertdeklaration in der Verordnung Nr. 1169/2011 in Einklang zu bringen. Dr. Oetker habe nämlich dadurch gegen Art. 33 in Verbindung mit den Art. 30 und 32 dieser Verordnung verstoßen, dass auf der Schauseite der Verpackung dieses Produkts der Brennwert nicht je Portion dieses Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs, sondern nur je Portion des zubereiteten Produkts angegeben sei.
12 Nachdem diese Abmahnung erfolglos geblieben war, erhob der BVV Klage beim Landgericht Bielefeld (Deutschland), das der Klage mit Urteil vom 8. August 2018 stattgab. Auf die Berufung von Dr. Oetker hob das Oberlandesgericht Hamm (Deutschland) mit Urteil vom 13. Juni 2019 dieses Urteil auf und wies die Klage des BVV ab.
13 Der BVV legte beim Bundesgerichtshof (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ein.
14 Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Erfolg der Revision insbesondere davon abhänge, ob Art. 31 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen seien, dass es in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verboten sei, zu Werbezwecken auf der Schauseite der Verpackung Informationen zum Nährwert je Portion des zubereiteten Lebensmittels anzubringen, ohne zusätzlich den Brennwert je 100 g dieses Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs anzugeben.
15 Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen, dass diese Regelung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist?
2. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Meint die Wortfolge „je 100 g“ in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 allein 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder aber – zumindest auch – 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
16 Mit seiner ersten Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gilt, vor deren Verzehr eine Zubereitung erforderlich und bei denen die Zubereitungsweise vorgegeben ist.
17 Im vorliegenden Fall kann das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis auf unterschiedliche Weise zubereitet werden, nämlich u. a. durch die Zugabe von Milch, Joghurt, Quark, Fruchtsäften, Früchten, Konfitüre oder Honig. Er kann auch ohne jede Zubereitung verzehrt werden.
18 Der Gerichtshof hat daher zu entscheiden, ob bei verschiedenen Zubereitungsweisen eines Lebensmittels die Nährwertdeklarationen, die auf der Vorderseite der Verpackung dieses Lebensmittels freiwillig wiederholt werden, auf eine dieser Zubereitungsweisen beschränkt sein dürfen.
19 Nach Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 können sich die Nährwertinformationen „gegebenenfalls“ auf „das zubereitete Lebensmittel“ beziehen statt auf das „Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs“, „sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen“.
20 Die Auslegung dieser Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, hat unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, AFMB u. a., C‑610/18, EU:C:2020:565, Rn. 50).
21 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 45, 49 und 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geben die wörtliche Auslegung und die Auslegung anhand des Regelungszusammenhangs keinen Aufschluss in Bezug auf die Frage, ob Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 sich nur auf Lebensmittel mit einer einzigen vorgegebenen Zubereitungsweise oder auch auf Lebensmittel bezieht, die auf unterschiedliche Weise zubereitet werden können, insbesondere durch Zugabe verschiedener Zutaten. Abgesehen davon, dass der Wortlaut dieser Bestimmung keinen Anhaltspunkt enthält, anhand dessen eine klare und zweifelsfreie Antwort gegeben werden könnte, enthält die Verordnung Nr. 1169/2011 nämlich keine spezielle Rechtsvorschrift in Bezug auf die Berechnung und die Darstellung von Nährwertdeklarationen, die auf der Vorderseite einer Verpackung stehen müssen.
22 Anhaltspunkte für eine Antwort und insbesondere für das Verständnis des Wortes „gegebenenfalls“ in Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 können daher nur im Licht einer teleologischen Auslegung gefunden werden.
23 Der mit Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 verfolgte Zweck ist im Hinblick sowohl auf die Zielsetzung dieser Bestimmung als auch auf die Ziele der in Rede stehenden Regelung zu beurteilen, zu denen, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, das Ziel gehört, ein hohes Verbraucherschutzniveau in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2020, Groupe Lactalis, C‑485/18, EU:C:2020:763, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Wie der Generalanwalt in Nr. 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 35 und 41 der Verordnung Nr. 1169/2011, dass Art. 31 dieser Verordnung die Vergleichbarkeit von Lebensmitteln und der Information der Verbraucher bezweckt.
25 Im 35. Erwägungsgrund heißt es nämlich, dass die Bestimmungen über die Nährwertdeklaration je 100 g oder je 100 ml auf die „Vergleichbarkeit von Produkten in unterschiedlichen Packungsgrößen“ abzielen. Weiter heißt es dort, dass „zusätzlich zur Angabe je 100 g oder je 100 ml“ „gegebenenfalls zusätzliche Angaben auf Portionsbasis“ zulässig sind, wenn „das Lebensmittel in Form von Einzelportionen oder Verzehreinheiten vorverpackt [ist]“.
26 Nach dem 41. Erwägungsgrund sollten die Informationen zum Nährwert, „[d]amit [sie] den Durchschnittsverbraucher ansprechen und den Informationszweck erfüllen, für den sie eingeführt werden, … einfach und leicht verständlich sein“. Ferner geht aus diesem Erwägungsgrund hervor, dass „auf freiwilliger Basis die wichtigsten Bestandteile der Nährwertdeklaration ein weiteres Mal im Hauptsichtfeld erscheinen [können], damit die Verbraucher die wesentlichen Informationen zum Nährwert beim Kauf von Lebensmitteln leicht sehen können“.
27 Hieraus ergibt sich, dass dann, wenn ein Lebensmittel wie im vorliegenden Fall auf unterschiedliche Weise zubereitet werden kann, die Informationen über den Brennwert und die Nährstoffmengen des Lebensmittels, wenn es gemäß dem Vorschlag des Herstellers zubereitet worden ist, keinen Vergleich mit den entsprechenden Lebensmitteln anderer Hersteller zulassen, da die Berechnung des Brennwerts und der Nährstoffmengen eines Erzeugnisses, das auf unterschiedliche Weise zubereitet werden kann, definitionsgemäß ungewiss ist, da sie zwangsläufig je nach Zubereitungsart variiert.
28 Die fehlende Vergleichbarkeit kann auch nicht dadurch geheilt werden, dass die Werte für eine Portion an anderer Stelle auf der Verpackung mit den Werten je 100 g des Erzeugnisses zum Zeitpunkt des Verkaufs angegeben werden. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 4. Juni 2015, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (C‑195/14, EU:C:2015:361, Rn. 38 bis 40), festgestellt hat, kann der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des betreffenden Erzeugnisses angebracht ist, für sich allein nicht ausschließen, dass die Kennzeichnung dieses Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sein könnten, den Käufer irrezuführen. Entsprechend lassen isolierte Informationen auf der Vorderseite der Verpackung keinen Produktvergleich zu, und die zusätzlichen Deklarationen an anderer Stelle auf der Verpackung mit anderen Referenzmengen sind lediglich geeignet, den Verbraucher hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit anderen Erzeugnissen noch mehr zu verwirren.
29 Diese Auslegung wird im Übrigen durch den 37. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1169/2011 bestätigt, wonach dafür zu sorgen ist, dass die auf der Kennzeichnung angegebenen Informationen für den Endverbraucher leicht verständlich sind, um ihm eine Grundlage für eine fundierte Wahl zu schaffen.
30 Daher müssen Lebensmittel, die auf unterschiedliche Weise zubereitet werden können, vom Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 ausgenommen werden.
31 Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist.
Zur zweiten Frage
32 In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.
Kosten
33 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist.