Ausschluss eines Gesellschafters – Urteil vom 04.08.2020, Bonn

Im Urteil vom 04.08.2020 des BGH (AZ. II ZR 171/19) geht es um Folgendes:

Der Gesellschafter einer GmbH kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, ohne dass zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss.

BGH, Urteil vom 4. August 2020 – II ZR 171/19 – OLG Köln LG Bonn

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher, den Richter Born, die Richterin B. Grüneberg sowie die Richter V. Sander und Dr. von Selle

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Juli 2019 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 26. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren ein- schließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte ist eine GmbH. Die Klägerin und die Nebenintervenientin der Beklagten sind deren Gesellschafter. Die Klägerin war zunächst Inhaberin eines Geschäftsanteils im Nennbetrag von 12.740 € (Nr. 2), die Nebeninter- venientin war Inhaberin eines Geschäftsanteils im Nennbetrag von 13.260 € (Nr. 3). Am 12. November 2012 erhöhten die Gesellschafter das voll eingezahl- te Stammkapital von 26.000 € auf 200.000 €. Von den zwei neu gebildeten Geschäftsanteilen übernahm die Klägerin einen im Nennbetrag von 85.260 € (Nr. 4) und die Nebenintervenientin einen im Nennbetrag von 88.740 € (Nr. 5), die in Höhe von 36.260 € (Nr. 4) bzw. 37.740 € (Nr. 5) sofort einzuzahlen wa- ren, was auch geschehen ist. Die Restbeträge in Höhe von 49.000 € (Nr. 4) bzw. 51.000 € (Nr. 5) sollten jeweils nach Aufforderung durch die Gesellschaft fällig werden.

Nach § 13 Abs. 1 b) des Gesellschaftsvertrags der Beklagten (im Fol- genden: GV) kann ein Gesellschafter durch Beschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn er mit der Einzahlung des vertraglich geschulde- ten Gesellschaftskapitals oder einer vertraglich vereinbarten Kapitalerhöhung ganz oder anteilig länger als drei Monate in Verzug ist und ungeachtet einer mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Ausschließung verbundenen nochmaligen Zahlungsaufforderung binnen eines weiteren Monates nicht leistet. Nach § 13 Abs. 4 Satz 2 GV ist der Zeitpunkt der Zustellung des Ausschließungsbeschlus- ses an den betroffenen Gesellschafter maßgebend für den Zeitpunkt des Aus- scheidens. Nach § 13 Abs. 7 GV hat der ausgeschlossene Gesellschafter nach Wahl der Gesellschaft die Einziehung seines Geschäftsanteils zu dulden oder den Anteil an die Gesellschaft, an einen Gesellschafter oder an einen von der Gesellschaft bezeichneten Dritten zu veräußern und abzutreten. Nach § 13 Abs. 5 GV kann der Ausschließungsbeschluss innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten ab Zugang des Ausschließungsbeschlusses durch Klage angefochten werden.

§ 15 Abs. 8 GV lautet auszugsweise: […]

Da die Klägerin die Resteinlage trotz Aufforderung nicht geleistet hat, führten die Parteien verschiedene Rechtsstreitigkeiten. ln der Gesellschafter- versammlung vom 4. März 2016 wurde der Beschluss gefasst, dass der Rest- betrag auf den von der Klägerin zu leistenden Geschäftsanteil mit der lfd. Nr. 4 i.H.v. 49.000 € sofort in voller Höhe zur Zahlung fällig ist und die Geschäftsfüh- rung angewiesen wird, die ausstehende Stammeinlage unverzüglich von der Klägerin einzufordern. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungskla- ge der Klägerin wurde mit Urteil des Landgerichts Köln vom 8. November 2016 zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem die Klägerin ihre Berufung zurückgenommen hat. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 4. März 2016 durch den Geschäftsführer der Beklagten zur Zahlung bis zum 11. März 2016 sowie mit Schreiben vom 11. Juli 2016 nochmals zur umgehen- den Zahlung innerhalb eines Monats unter Hinweis auf einen möglichen Aus- schluss gemäß § 13 Abs. 1 b) GV aufgefordert. In der Gesellschafterversamm- lung vom 22. September 2016 beschloss die allein teilnehmende Nebeninterve- nientin, die Klägerin gemäß § 13 Abs. 1 b) GV auszuschließen.

Das Landgericht hat die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 22. September 2016 zu Tagesordnungspunkt 6 (Ausschluss der Klägerin) nichtig ist. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Kla- geabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru- fungsurteils und zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der angefochtene Gesellschafterbeschluss, mit dem die Kläge- rin aus der Beklagten habe ausgeschlossen werden sollen, sei nichtig. Aus dem Grundsatz der Kapitalerhaltung, auf den ausdrücklich auch für die Einziehung von Geschäftsanteilen verwiesen werde, folge, dass die Ausschließung eines Gesellschafters, der seine Stammeinlage noch nicht vollständig erbracht habe, unzulässig sei.

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