Kartellrecht: Kommission leitet förmliche Untersuchung der E Book-Vertriebsvereinbarungen von Amazon ein
Die Europäische Kommission hat heute (Donnerstag) eine förmliche kartellrechtliche Untersuchung bestimmter Geschäftspraktiken von Amazon im Vertrieb von elektronischen Büchern („E-Books“) eingeleitet.
Dabei wird sie vor allem bestimmte Klauseln der Verträge zwischen Amazon und Verlagen genau prüfen. Nach diesen Klauseln müssen Verlage Amazon informieren, wenn sie dessen Wettbewerbern günstigere oder andere Konditionen bieten, und Amazon vergleichbare Konditionen einräumen oder auf andere Weise sicherstellen, dass Amazon mindestens ebenso gute Konditionen erhält.
Die Kommission hat Bedenken, dass solche Klauseln es anderen E-Book-Händlern erschweren könnten, sich durch die Entwicklung neuer und innovativer Produkte und Dienste im Wettbewerb mit Amazon zu behaupten. Die Kommission wird prüfen, ob solche Klauseln möglicherweise den Wettbewerb zwischen verschiedenen E-Book-Händlern beschränken und für die Verbraucher eine geringere Auswahl zur Folge haben. Sollte sich dies bestätigen, könnte ein derartiges Verhalten gegen das im EU-Kartellrecht verankerte Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und wettbewerbsbeschränkender Praktiken verstoßen. Die Einleitung eines Verfahrens lässt keine Rückschlüsse auf das Ergebnis der Untersuchung zu.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Amazon hat ein erfolgreiches Geschäft aufgebaut, mit dem es den Verbrauchern, auch bei E-Books, umfassende Dienstleistungen bietet. Unsere Untersuchung stellt dies keineswegs in Frage. Allerdings ist es meine Aufgabe sicherzustellen, dass sich die Vereinbarungen von Amazon mit Verlagen nicht nachteilig auf die Verbraucher auswirken, indem sie andere EBook-Händler hindern, Innovation zu schaffen und Amazon im Wettbewerb die Stirn zu bieten. Unsere Untersuchung wird zeigen, ob diese Bedenken gerechtfertigt sind.“
Gegenstand der Untersuchung
Die Beliebtheit von E-Books ist in den letzten Jahren gestiegen, und daher gewinnen sie auch für den Online-Einzelhandel zunehmend an Bedeutung. Amazon ist derzeit das größte Vertriebsunternehmen für E-Books in Europa. Anfangs wird sich die Untersuchung der Kommission auf die größten Märkte für E-Books im Europäischen Wirtschaftsraum, d. h. auf die Märkte für englische und deutsche E-Books, konzentrieren.
Die Kommission hat Bedenken, dass bestimmte E-Books betreffende Klauseln in den Verträgen von Amazon mit den Verlagen gegen das im EU-Kartellrecht verankerte Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und wettbewerbsbeschränkender Praktiken verstoßen könnten. Die beihilferechtliche Untersuchung konzentriert sich auf Klauseln, die Amazon gegen den von anderen EBook-Händlern ausgehenden Wettbewerbsdruck abzuschirmen scheinen. Mit diesen Klauseln werden Amazon beispielsweise folgende Rechte eingeräumt:
das Recht informiert zu werden, wenn Wettbewerber günstigere oder andere Konditionen erhalten, und/oder
das Recht, mindestens ebenso gute Konditionen wie die Wettbewerber zu erhalten.
Die Kommission wird nun prüfen, ob solche Klauseln möglicherweise gleichen Wettbewerbsbedingungen entgegenstehen und den Wettbewerb zwischen verschiedenen E-Book-Händlern zum Nachteil der Verbraucher beschränken.
Hintergrund
Dies ist nicht das erste Mal, dass die Europäische Kommission eine kartellrechtliche Untersuchung im EBook-Sektor durchführt. Im Dezember 2011 leitete die Kommission ein Verfahren in dieser Branche ein, da sie Bedenken hatte, dass Apple und fünf internationale Verlage (Penguin Random House, Hachette Livres, Simon & Schuster, HarperCollins und die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck) unter Verstoß gegen das EU-Kartellrecht Absprachen getroffen haben könnten, um den Preiswettbewerb im E-Book-Einzelhandel im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu begrenzen. Im Dezember 2012 bzw. im Juli 2013 boten die Unternehmen eine Reihe von Verpflichtungszusagen an, mit denen die Wettbewerbsbedenken der Kommission ausgeräumt wurden.
Die Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) untersagen wettbewerbswidrige Vereinbarungen bzw. die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Wie diese Bestimmungen umzusetzen sind, ist in der EU-Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) festgelegt, die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet wird. Die Einleitung eines Verfahrens bedeutet nicht, dass der Kommission schlüssige Beweise für Verstöße gegen das Kartellrecht vorliegen.
Nach Artikel 11 Absatz 6 der Kartellverordnung entfällt mit der Verfahrenseinleitung durch die Kommission die Zuständigkeit der jeweiligen mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden für die Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts. Die Gerichte der Mitgliedstaaten dürfen keine Entscheidungen erlassen, die einem Beschluss zuwiderlaufen, den die Kommission in einem von ihr eingeleiteten Verfahren zu erlassen beabsichtigt (Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung).
Die Kommission hat Amazon und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten über die Verfahrenseinleitung in dieser Sache unterrichtet.
Für den Abschluss von Untersuchungen zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gibt es keine zwingende Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. der Komplexität der Sache, dem Umfang der Kooperation des betreffenden Unternehmens mit der Kommission und der Ausübung der Verteidigungsrechte.