Klausel in einem Handelsvertretervertrag „der Gesellschaft Kunden abzuwerben oder dies auch nur zu versuchen“ ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.

Die in einem Handelsvertretervertrag enthaltene, vom Unternehmer als Allgemei-ne Geschäftsbedingung gestellte Bestimmung „Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterver-hältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Kunden abzuwerben oder dies auch nur zu versuchen“ ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB unwirksam.

BGH URTEIL VII ZR 100/15 vom 3. Dezember 2015 – Handelsvertretervertrag/ Abwerbeverbot
HGB § 90a; BGB § 307 Abs. 1 Bm.
Die in einem Handelsvertretervertrag enthaltene, vom Unternehmer als Allgemei-ne Geschäftsbedingung gestellte Bestimmung „Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterver-hältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Kunden abzuwerben oder dies auch nur zu versuchen“ ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB unwirksam.
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – VII ZR 100/15 – OLG Karlsruhe
LG Mosbach
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Sacher
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. April 2015 wird zurückge-wiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen den Beklagten, ihren ehemaligen Handelsver-treter, verschiedene Ansprüche im Zusammenhang mit einem nachvertragli-chen Wettbewerbsverbot (hier: Verbot der Abwerbung von Kunden) geltend.
Die Klägerin vermittelt als Vertriebsgesellschaft im Rahmen ihres All-finanzangebots verschiedene Finanzdienstleistungen, insbesondere gewerbli-che und private Finanzierungen, eine Vielzahl von Spar- und Anlageprodukten sowie Versicherungsverträge und Bausparverträge.
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Der Beklagte war für die Klägerin als Handelsvertreter (Vermögensbera-ter) aufgrund Vermögensberater-Vertrags vom 25. Mai/14. Juni 2007 tätig. Nr. V. dieses Vertrags lautet auszugsweise wie folgt:
„Der Vermögensberater ist verpflichtet, die Interessen der Gesell-schaft zu wahren, wie es ihm durch § 86 I HGB aufgegeben ist. Er hat ferner jede Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen oder die Vermittlung von Vermögensanlagen, die nicht zur Produktpalette der Gesellschaft gehören, ebenso zu unterlassen wie das Abwer-ben von Vermögensberatern oder anderen Mitarbeitern oder Kun-den der Gesellschaft oder dies alles auch nur zu versuchen.
Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Vermögensberater, andere Mitarbei-ter oder Kunden abzuwerben oder dies alles auch nur zu versu-chen.
Verstößt der Vermögensberater gegen auch nur eines der vorste-henden Verbote, so hat er für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 Euro zu zahlen, und zwar auch für jeden erfolglos gebliebenen Versuch. Diese Vertragsstrafe ist der Höhe nach auf einen Betrag be-schränkt, der den sechsmonatigen Provisionsbezügen des Ver-mögensberaters – errechnet nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Verstoß – entspricht. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. …“
Das Vertragsverhältnis der Parteien wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 24. Februar 2011 zum 30. September 2011 gekündigt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe gegen seine Ver-pflichtung aus Nr. V. des Vermögensberater-Vertrag verstoßen, indem er im Zeitraum 2012/2013 versucht habe oder es ihm gelungen sei, vier näher be-zeichnete Kunden, die mit Produktpartnern der Klägerin Versicherungsverträge abgeschlossen hätten, zur Kündigung oder Änderung dieser Verträge zu be-
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stimmen. Dieser Umstand lasse vermuten, dass der Beklagte weitergehende Verstöße begangen habe.
Im Wege der Stufenklage begehrt die Klägerin zur Vorbereitung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs, den Beklagten zur Erteilung einer Auskunft zu verurteilen, wann (genauer Zeitpunkt) er – seit dem 30. September 2011 bis zum 30. September 2013 – welche Kunden der Kläge-rin (anonymisierte personenbezogene Daten der Kunden) dazu bestimmt oder zu bestimmen versucht hat, ihre Verträge (genaue Bezeichnung) mit den Pro-duktpartnern der Klägerin zu beenden und/oder inhaltlich einzuschränken. Die Klägerin hat darüber hinaus den ursprünglichen Antrag (Antrag Nr. 1), den Be-klagten zu verurteilen, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel bis zum 30. September 2013 zu unterlassen, weder persönlich noch durch Ein-schalten Dritter Kunden der Klägerin, die mit deren Partnergesellschaften Ver-träge geschlossen haben, zur Beendigung und/oder inhaltlichen Einschränkung dieser Verträge zu bewegen, oder dies alles auch nur zu versuchen, dahin ge-ändert, nach Erledigungserklärung die ursprüngliche Begründetheit dieses An-trags festzustellen sowie im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr alle Schäden zu ersetzen, die ihr daraus entstehen, dass der Beklagte ihre Kunden, die mit ihren Partnergesellschaften Verträge abgeschlossen haben, zur Beendigung und/oder inhaltlichen Ände-rung dieser Verträge bewegt oder dies alles auch nur versucht habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Kläge-rin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus, die Klägerin habe we-der einen Anspruch auf Auskunft über etwa konkurrierendes Verhalten des Be-klagten nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses noch habe sie ei-nen entsprechenden Unterlassungsanspruch gehabt. Auch die hilfsweise erho-bene Zwischenfeststellungsklage sei nicht begründet. Denn ein nachvertragli-ches Wettbewerbsverbot sei nicht wirksam vereinbart worden. Die im Vermö-gensberater-Vertrag getroffene Vereinbarung über ein nachvertragliches Wett-bewerbsverbot sei wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspart-ners, insbesondere auch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot, un-wirksam.
Bei dem Vermögensberater-Vertrag und dem darin geregelten nachver-traglichen Wettbewerbsverbot handele es sich unstreitig um Allgemeine Ge-schäftsbedingungen der Klägerin im Sinne der §§ 305 ff. BGB, die diese dem Beklagten gestellt habe. Für ein Aushandeln der Vereinbarungen (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) sei nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.
Die von den Parteien unter Nr. V. Abs. 2 des Vermögensberater-Vertrags getroffene Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sei we-gen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Die Regelung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne gleich-zeitige Vereinbarung der gesetzlich vorgeschriebenen Karenzentschädigung (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB) berücksichtige die Interessen des Vertragspartners
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nicht in der gebotenen Weise, sondern bringe ausschließlich das Interesse des Verwenders zur Geltung. Außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelungen der §§ 305 ff. BGB spreche Einiges dafür, dass ein nachvertragliches Wettbe-werbsverbot keine Regelung über die zu leistende Karenzentschädigung ent-halten müsse, um wirksam und verbindlich zu sein, weil beim Handelsvertreter – anders als beim Handlungsgehilfen (§ 74 HGB) – die Vereinbarung einer Karen-zentschädigung (§ 90a HGB) nach dem Gesetz gerade nicht Voraussetzung für die Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sei. Im An-wendungsbereich der §§ 305 ff. BGB gälten indes zum Schutz des in der Regel schwächeren Vertragspartners des Verwenders strengere Anforderungen als im Rahmen der §§ 134, 138 BGB. Gemessen an diesen erhöhten Anforderungen stelle die vorliegende Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsver-bots ohne gleichzeitige Vereinbarung einer konkreten Karenzentschädigung eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar.
Eine zur Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots füh-rende unangemessene Benachteiligung liege auch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot vor. Dieses Gebot sei vorliegend verletzt, weil das nach-vertragliche Wettbewerbsverbot nicht hinreichend klar, verständlich und be-stimmt gefasst sei. Ein Verstoß liege schon deshalb vor, weil dem Handelsver-treter als Vertragspartner des Verwenders die Rechtslage nach § 90a HGB nicht hinreichend deutlich vor Augen geführt werde. Das Transparenzgebot sei aber auch deshalb verletzt, weil dem Handelsvertreter durch die Regelung in Nr. V. Abs. 2 des Vermögensberater-Vertrags für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses untersagt werde, Vermögensbera-ter, andere Mitarbeiter oder Kunden der Klägerin abzuwerben, ohne dass dabei hinreichend deutlich gemacht werde, ob sich das nachvertragliche Wettbe-werbsverbot nur auf solche Personen erstrecke, die zur Zeit der Vertragsdauer Vermögensberater, andere Mitarbeiter oder Kunden der Klägerin gewesen sei-
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en, oder ob es auch solche Personen erfasse, die erst nach dem Ausscheiden des Vertragspartners bei der Klägerin zu deren Mitarbeitern oder Kunden ge-worden seien. Eine klare Aussage werde insoweit im Vertrag nicht getroffen. Für den Vertragspartner des Verwenders sei daher aus dem Vertragstext her-aus nicht klar erkennbar, welcher Personenkreis dem nachvertraglichen Wett-bewerbsverbot unterfalle, wie weit also das Wettbewerbsverbot reiche.
Im Hinblick darauf könne dahinstehen, ob nicht der Auskunftsanspruch durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen sei. Auch der Antrag festzu-stellen, dass der ursprünglich in der Klageschrift geltend gemachte Unterlas-sungsanspruch, der sich durch Zeitablauf erledigt habe, bis zum 30. September 2013 berechtigt gewesen sei, sei unbegründet.
Der hilfsweise gestellte Zwischenfeststellungsantrag sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Denn Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bestünden nicht, da es an dessen wirk-samer Entstehung fehle.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Anträge der Klägerin, die sich sämtlich auf das nachvertragliche Verbot der Abwerbung von Kunden gründen, wegen dessen Unwirksamkeit unbegründet sind.
1. Die Feststellungen des Berufungsgerichts, dass es sich bei den Be-stimmungen des Vermögensberater-Vertrags einschließlich des darin geregel-ten nachvertraglichen Abwerbeverbots um von der Klägerin gestellte Allgemei-ne Geschäftsbedingungen handelt und dass für ein Aushandeln der Vereinba-
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rungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, werden von den Parteien hingenommen. Revisionsrechtlich be-achtliche Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Bestimmung „Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlas-sen, der Gesellschaft … Kunden abzuwerben oder dies … auch nur zu versu-chen“ wegen unangemessener Benachteiligung des Beklagten als Vertrags-partner der Klägerin unwirksam ist.
a) Es kann dahinstehen, ob diese Bestimmung, wie das Berufungsgericht angenommen hat, bereits wegen des Fehlens der Vereinbarung einer konkre-ten Karenzentschädigung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist, ob-gleich sich die Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter für die Dauer einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 90a Abs. 1 HGB eine angemessene Entschädigung zu zahlen, unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB.
Sie ist jedenfalls gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB unwirk-sam, weil sie den Anforderungen des Transparenzgebots nicht genügt, das un-abhängig davon anwendbar ist, ob die Bestimmung auch in sonstiger Hinsicht einer Inhaltskontrolle unterliegt (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB).
aa) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus erge-ben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflich-tet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen. Zudem verlangt
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das aus dem Transparenzgebot abgeleitete Bestimmtheitsgebot, dass die Klau-sel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 – XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 Rn. 23 m.w.N.). Der Ver-wender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so ge-nau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 104/14, ZVertriebsR 2015, 243 Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2012 – I ZR 23/11, GRUR 2013, 375 Rn. 35 – Missbrauch des Verteilungsplans; Urteil vom 6. Dezember 2007 VII ZR 28/07, NJW-RR 2008, 615 Rn. 12 m.w.N.). Abzustellen ist bei der Be-wertung der Transparenz einer Vertragsklausel auf die Erwartungen und Er-kenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwen-ders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH, Urteil vom 23. Februar 2011 XII ZR 101/09, NJW-RR 2011, 1144 Rn. 10 m.w.N.). Verstöße gegen das Transparenzgebot entsprechen nicht den Gebräuchen und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäfts-bedingungen (BGH, Versäumnisurteil vom 10. September 2014 – XII ZR 56/11, NJW 2014, 3722 Rn. 25; Urteil vom 3. August 2011 – XII ZR 205/09, NJW 2012, 54 Rn. 16).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Bestimmung un-wirksam, weil sich aus ihr die Reichweite des Abwerbeverbots, die auch Ein-fluss auf die Höhe der dem Handelsvertreter bei dessen Beachtung zustehen-den angemessenen Entschädigung (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB) hat, nicht hinrei-chend klar und verständlich entnehmen lässt, § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB.
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Das nicht näher konkretisierte Verbot der Abwerbung von Kunden in Nr. V. Abs. 2 ist ebenso wie die bloße Vereinbarung von nicht näher konkreti-siertem Kundenschutz (vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 7. Aufl., Rn. 265 m.w.N.; Thamm, BB 1995, 790, 792) nicht bestimmt genug. Nicht nur ist für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin auch unter Berück-sichtigung des Abwerbeverbots während der Vertragslaufzeit in Nr. V. Abs. 1 nicht hinreichend klar, ob mit „Kunden“ im Sinne von Nr. V. Abs. 2 sämtliche Personen gemeint sind, die Verträge mit Partnerunternehmen der Klägerin ab-geschlossen haben, oder nur solche Personen, die derartige Verträge aufgrund einer dem Handelsvertreter (Vermögensberater) zuzurechnenden Vermittlungs-tätigkeit abgeschlossen haben. Hinzu kommt, dass nicht hinreichend klar ist, ob sich das Verbot der Abwerbung von Kunden in Nr. V. Abs. 2 auch auf Personen erstreckt, die erst nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, aber binnen des Zeitraums von zwei Jahren nach dieser Beendigung Verträge mit Partnerunternehmen der Klägerin geschlossen haben. Außerdem ist für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin auch nicht hinreichend klar, ob sich das Verbot der Abwerbung von Kunden nur auf eine Ausspannung er-streckt, bei der Kunden veranlasst werden, mit Partnerunternehmen der Kläge-rin bestehende Verträge vorzeitig zu beenden (vgl. die Definition des Begriffs „Ausspannung“ in Nr. 48, Nr. 65 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungs-wirtschaft [Stand: 1. September 2006], abgedruckt bei Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., S. 2035 ff.), oder ob es dem Handelsvertreter (Vermögensberater) auch untersagt ist, Personen, die bereits einen Vertrag mit Partnerunternehmen der Klägerin geschlossen haben, zusätzlich weitere Produkte zu vermitteln, die in der Produktpalette der Klägerin eine Entsprechung haben. Angesichts dieser Unklarheiten bezüglich der Verbotsreichweite sind die Nachteile und Belastun-gen für den durchschnittlichen Vertragspartner der Klägerin nicht hinreichend erkennbar. Die Unklarheiten eröffnen der Klägerin, der es ohne Weiteres mög-
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lich gewesen wäre, die Verbotsreichweite zu konkretisieren, ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume bei der Geltendmachung und Durchsetzung des Ver-bots, aber auch bei der Abwehr etwaiger Karenzentschädigungsansprüche. Hieraus resultiert eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten als Ver-tragspartner der Klägerin.
b) Eine geltungserhaltende Reduktion der gegen das Transparenzgebot verstoßenden Bestimmung kommt nicht in Betracht, da das Transparenzgebot anderenfalls weitgehend ins Leere liefe (vgl. BAG, NZA-RR 2009, 576 Rn. 18; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – VII ZR 181/10, NJW 2011, 1954 Rn. 35). Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2012 VII ZR 56/11, BGHZ 195, 207, ergibt sich entgegen der Auffassung der Revi-sion nichts Abweichendes. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil – bezüg-lich eines im Einzelnen ausgehandelten Wettbewerbsverbots (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – VII ZR 56/11, aaO Rn. 19 ff.) – entschieden, dass bei Überschreitung der in § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB genannten zeitlichen, örtlichen und/oder gegenständlichen Grenzen eine Reduktion auf den gesetzlich zulässi-gen Gehalt stattfindet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – VII ZR 56/11, aaO Rn. 31 ff.). Um eine solche Überschreitung bei einem im Einzelnen ausge-handelten Wettbewerbsverbot geht es im Streitfall nicht.
c) Ein wirksames nachvertragliches Verbot der Abwerbung von Kunden kann nicht aus der von der Klägerin gestellten Formularbestimmung Nr. VIII. Abs. 6 Satz 2 hergeleitet werden, wonach die Parteien im Falle der Unwirksam-keit einer Bestimmung ihrem Vertragsverhältnis eine Regelung zugrunde legen, die der ursprünglichen Bestimmung in ihrer wirtschaftlichen Zielrichtung am nächsten kommt. Derartige salvatorische Klauseln sind wegen Verstoßes ge-gen § 306 Abs. 2 BGB nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichtig (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn. 45, zu § 6 Abs. 2, § 9
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AGBG; Urteil vom 8. Mai 2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568 Rn. 24 KfzVertragshändler III; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 306 BGB Rn. 39).
d) Ein nachvertragliches Verbot der Abwerbung von Kunden ergibt sich – unbeschadet hier nicht geltend gemachter Einschränkungen des Wettbewerbs im Zusammenhang mit Geheimhaltungspflichten (z.B. § 90 HGB, § 17 UWG) – auch nicht aus den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemei-nen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften.
§ 90a HGB statuiert lediglich Grenzen für nachvertragliche Wettbewerbs-verbote, die in diesem Rahmen vereinbart werden können. Es steht einem Handelsvertreter, der keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt, nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses grundsätzlich frei, dem Unternehmer, für den er bis dahin tätig gewesen ist, auch in dem Bereich Kon-kurrenz zu machen, in dem er ihn vorher vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786, 1787, juris Rn. 18).
Die durch die Unwirksamkeit der Bestimmung entstandene Lücke lässt sich auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung schließen. Zwar zäh-len zu den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch die Bestim-mungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn. 46; Urteil vom 28. Oktober 2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993 Rn. 44 m.w.N.). Lässt sich eine durch Unwirksamkeit einer Klausel entstandene Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen und stellt ein ersatzloser Wegfall der betref-fenden Klausel keine sachgerechte Lösung dar, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden wer-
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den kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – VI ZR 452/13, NJW 2014, 3234 Rn. 14). Das gilt auch dann, wenn eine Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 318, juris Rn. 49). Eine ergänzende Vertrags-auslegung setzt allerdings voraus, dass sich Anhaltspunkte dafür finden lassen, wie die Vertragsparteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht be-dachte Unwirksamkeit der Klausel bewusst gewesen wäre. Kommen dagegen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, ohne dass erkennbar ist, welche die Vertragsparteien gewählt hätten, sind die Gerichte zu einer er-gänzenden Vertragsauslegung weder in der Lage noch befugt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2014 – VII ZR 344/13, BGHZ 202, 309 Rn. 24; Urteil vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 48/05, BGHZ 165, 12, 28, juris Rn. 37 m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Ver-bots der Abwerbung von Kunden kommen im Hinblick auf die Reichweite des Verbots unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht in Betracht, wobei die Reichweite des Verbots auch Einfluss auf die Höhe der dem Handelsvertreter (Vermögensberater) gegebe-nenfalls zustehenden angemessenen Entschädigung (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB) hat. Es ist unter diesen Umständen nicht erkennbar, welche der Gestal-tungsmöglichkeiten die Vertragsparteien gewählt hätten, wenn ihnen die Un-wirksamkeit der das Verbot der Abwerbung von Kunden betreffenden Bestim-mung Nr. V. Abs. 2 bewusst gewesen wäre.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eick Kartzke Jurgeleit
Graßnack Sacher
Vorinstanzen:
LG Mosbach, Entscheidung vom 08.08.2014 – 3 O 13/13 –
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.04.2015 – 15 U 89/14 –